Menschenrechtsverstöße in Deutschland, Bundesregierung untätig

Geschrieben am 20.09.2018
in: Medienbeiträge

„In Deutschland glauben viele Bürgerinnen und Bürger, dass es bei Menschenrechtsverstöße nur um Probleme anderer Staaten geht, die weit weg von Deutschland sind. Bei den sozialen Menschenrechte gibt es jedoch auch eklatante Verstöße in der Bundesrepublik“, sagt Prof. Dr. Bernhard Emunds, der Leiter des Nell-Breuning-Instituts für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik der katholischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main. Deshalb sei es gut und für die Verbesserung der Menschenrechtssituation in Deutschland von zentraler Bedeutung, dass der UN-Sozialausschuss alle vier Jahre von der Bundesregierung einen umfassenden Bericht darüber einfordere, was sie unternommen habe, damit es in Deutschland Fortschritte bei der Verwirklichung und Garantie der im UN-Sozialpakt enthaltenen Menschenrechte gebe.

Begleitet wird dieses Berichtsverfahren durch die deutsche Zivilgesellschaft, insbesondere durch die Nationale Armutskonferenz (NAK), an der sich neben vielen anderen Organisationen (u.a. DGB, Deutscher Caritasverband, Diakonie Deutschland, AWO, Paritätischer Gesamtverband) auch das Nell-Breuning-Institut beteiligt. Für das NBI hat Michael Wolff in der NAK an der zivilgesellschaftlichen Begleitung des Staatenberichtsverfahrens mitgearbeitet.

Zu den Menschenrechtsverstößen, welche die NAK im Sommer 2017 an den UN-Sozialausschuss gemeldet hat, gehörten auch die Verstöße gegen das Menschenrecht auf Freizeit in der sog. 24-Stunden-Pflege, die vor allem Mittel- und Osteuropäerinnen in deutschen Privathaushalten erbringen. „Darin sieht der UN-Sozialausschuss offenbar auch ein massives Menschenrechtsproblem in Deutschland“, sagt Prof. Emunds. „Sonst hätte er dieses Thema nicht in seinem offiziellen Fragenkatalog an die Bundesregierung aufgegriffen.“

Am Freitag, dem 21. September 2018, wird die NAK um 9.00 Uhr in Berlin (Haus der Diakonie Deutschland) ihren Parallelbericht zum laufenden deutschen Staatenberichtsverfahren des UN-Sozialausschusses vorstellen. Der Bericht, der im Internet bereits einzusehen ist, kritisiert u.a. verschiedene Mängel bei der Grundsicherung, der Bekämpfung von Kindearmut und der Gesundheitsversorgung von Migrantinnen und Migranten.

Basierend auf Vorarbeiten des Nell-Breuning-Instituts zeigt der Parallelbericht auch auf, dass das Konzept der sog. 24-Stunden-Pflege und das Geschäftsmodell der meisten Vermittlungsagenturen auf einer systematischen Verletzung des Menschenrechts der mittel- und osteuropäischen Pflegekräfte auf Freizeit beruht. Der Bundesregierung wirft der Bericht vor, nicht gegen diese weit verbreitete Praxis vorzugehen, sondern im Gegenteil sich zu bemühen, sie von der Geltung der Freizeit-Regelungen im deutschen Arbeitszeitgesetz und in der – von Deutschland ratifizierten – Übereinkunft 189 „Über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte“ der Internationalen Arbeitsorganisation auszunehmen. In dem Bericht fordert die NAK von der Bundesregierung, für die Pflegekräfte in der sog. 24-Stunden-Pflege das Recht auf Freizeit zu garantieren und für eine Kontrolle ihrer Arbeitsbedingungen in den privaten Haushalten zu sorgen (Seiten 9-11 des Parallelberichtes).

Bei seiner 64. Session im Herbst 2018 wird der Sozialausschuss die Bundesregierung offiziell zu den von der NAK eingebrachten Menschenrechtsfragen, also auch zum Recht auf Freizeit in der sog. 24-Stunden-Pflege, befragen und anschließend seine Einschätzung in sog. „Abschließenden Bemerkungen“ festhalten.

Kontakt zur NAK :
Susanne Gonswa
Pressesprecherin der Nationalen Armutskonferenz
c/o Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V.
E-Mail: diakonie-pressestelle@dwbo.de

Rückfragen an das Nell-Breuning-Institut: nbi@sankt-georgen.de