Feminismus und Papst Franziskus scheinen zunächst wenig gemeinsam zu haben. Jedoch teilen sie eine gemeinsame Sorge und zwar die um den Fortbestand unseres Planeten. In beiden Fällen steht dabei das Bild von Verbundenheit des Menschen mit der Natur und den daraus entstehenden Verantwortungen im Mittelpunkt. Neuere materialistisch-feministische Theorien versuchen das Verhältnis von Mensch und Natur anders zu denken als aus einer anthropozentrischen Perspektive. Daraus geht auch ein anderer Blick auf ökologische Fragestellungen hervor. In der Enzyklika Laudato Si' von 2015 betont Papst Franziskus, dass es dringend nötig sei die "Klage der Erde" (LS 49) zu hören - sie also nicht länger als passives Gegenüber wahrzunehmen und vom Dualismus zwischen Leib und Geist abzuweichen und stattdessen die Verwobenheit des Menschen mit der Natur zu leben. Damit möchte auch Papst Franziskus eine andere Perspektive auf Verantwortungen in der Klimakrise etablieren.
Die strukturelle Nähe beider Perspektiven ist bereits anderen aufgefallen (Danowski/Viveiros de Castro 2014; Latour 2016) jedoch nie systematisch ausgearbeitet worden.
Im Falle von Laudato' Si wird Verbundenheit von Mensch und Natur von der Schöpfung ausgehend gedacht und obwohl der Schrei der Erde dieser ein gewisses Maß an Aktivität zugesteht, wird der Mensch ins Zentrum der Verantwortung gestellt. Im Falle von Donna Haraway, die als Repräsentantin materialistisch-feministischer Theorie betrachtet wird, bedeutet Verbundenheit radikaler das gemeinsam schöpferische Sein und permanente Werden von Mensch und Natur. In dieser symbiotischen Beziehung steckt der Ausgangspunkt der verantwortlichen Sorge. Zudem ist fragwürdig, wie sehr sich eine Position, die Frauen und die Selbstbestimmung über ihren Körper niedrig schätzen (LS 120; 155), mit einer feministischen Perspektive auch nur in der Theorie ins Gespräch gebracht werden können.
Simon Reiners geht in diesem Frankfurter Arbeitspapier zur gesellschaftsethischen und sozialwissenschaftlichen Forschung "Begegnungen im Anthropozän. Donna Haraways und Papst Franziskus‘ Sorge für einen beschädigten Planeten" der Frage nach, wie weit diese Begegnung wirklich trägt, inwiefern sich die Begriffe der Verwobenheit von Mensch und Natur als Ursprung für Verantwortung ähnlich sind und wo sie auseinander gehen. Die Suche nach Gefährt:innenschaften, so problematisch die Unterschiede teils sein mögen, ist entscheidend, um ein gemeinsames Leben auf einem bereits beschädigten Planeten einzurichten.