Regulierung internationaler Finanzmärkte

Bearbeitung: Bernhard Emunds , Stephen Makinya

Leitung: Friedhelm Hengsbach SJ

Gefördert durch: Volkswagen-Stiftung im Rahmen des Förderungsschwerpunkts "Globale Strukturen und deren Steuerung"

Laufzeit: 1998 - 2002

Der Bedarf und die Schwierigkeiten einer Steuerung globaler Strukturen zeigen sich an den internationalen Finanzmärkten besonders deutlich. Viele Banken, Investmenthäuser, Versicherungen und Fonds haben ihre Geschäftstätigkeit in den letzten beiden Jahrzehnten internationalisiert. Mit den Finanzbeziehungen sind aber auch die Risiken international geworden. Um diese zu beherrschen, bedarf es der internationalen Kooperation nicht erst im Ernstfall einer globalen Finanzkrise, sondern bereits bei dem Versuch, das einzelwirtschaftliche Handeln zu beschränken und auf diese Weise der Entstehung von Krisen vorzubeugen. Diese Beschränkungen der einzelwirtschaftlichen Akteure, die als Regulierung bezeichnet werden, sollen in dem Forschungsprojekt exemplarisch analysiert und ethisch reflektiert werden. Die Schwierigkeiten, Finanzmärkte zu regulieren, ergeben sich zum einen aus der Internationalisierung dieser Märkte. Die einzelwirtschaftlichen Akteure nutzen sie dazu, Aktivitäten in jene Volkswirtschaften zu verlegen, in denen ihr Handeln kaum reguliert wird. Die Nationalstaaten werden dadurch in eine Konkurrenz gezwungen, dem einzelwirtschaftlichen Handeln möglichst wenige Beschränkungen aufzuerlegen. Der einzige Ausweg für sie besteht darin, Mindestniveaus der Regulierung zu vereinbaren. Dies gelang z.B. 1988 mit dem Baseler Akkord im Bereich der Bankenregulierung. Zum anderen stößt auch diese suprastaatliche Regulierung an ihre Grenzen. Das liegt an der Geschwindigkeit, mit der im Finanzgeschäft neue Produkte (Finanzinnovationen) und neue Verfahren z.B. des Risikomanagements entstehen und mit der die staatlichen und suprastaatlichen Regulierungsinstanzen einfach nicht mithalten können. Weil ihre Rechtsregeln international ausgehandelt und im nationalen Rahmen formal beschlossen werden, ist die Gefahr groß, dass sie neuartige Finanzprodukte gar nicht erfassen oder dass sie veraltete Methoden z.B. der Risikomessung vorschreiben. Diese Problematik kann wahrscheinlich nur entschärft werden, wenn die staatlichen und suprastaatlichen Regulierungsinstanzen den einzelwirtschaftlichen Akteuren größere Freiräume zugestehen und wenn diese im Gegenzug darauf verzichten, jede Regulierungslücke auszunutzen. Einen wichtigen Schritt in diese Richtung markiert die Empfehlung des Baseler Ausschusses für die Bankenaufsicht aus dem Jahr 1996: Die nationalen Aufsichtsbehörden sollen es den Banken gestatten, das Marktrisiko im Eigenhandel, das die durch Eigen- oder langfristiges Fremdkapital decken müssen, mit Hilfe derjenigen Modelle zu berechnen, die sie selbst für ihr internes Risikomanagement verwenden. Mit dieser Entwicklung zeichnet sich ab, dass bei der Regulierung der Finanzmärkte in Zukunft den einzelwirtschaftlichen Akteuren selbst eine größere Rolle zukommt. Deshalb werden in dem Forschungsprojekt nicht nur die staatlich oder suprastaatlich beschlossenen Handlungsbeschränkungen berücksichtigt (politische Regulierung), sondern auch die Selbstbeschränkung der einzelwirtschaftlichen Akteure (Selbstregulierung), die diese vielfach in ihren Organisationen vereinbaren. Die Regulierung internationaler Finanzmärkte wird in dem Projekt exemplarisch anhand eines Regulierungsbereichs untersucht: der Regulierung von Portfolio-Investitionen, d.h. von kurzfristigen Finanzanlagen, durch die Finanzmittel von Investoren in den Industrieländern zu Unternehmen und Regierungen in Schwellenländern fließen. Weil diese Finanzbeziehungen über den Rahmen eingespielter internationaler Finanzbeziehungen hinausgehen, lassen sich an ihnen die Chancen und Risiken internationaler Finanzmärkte besonders deutlich erkennen: Den höheren Renditen und guten Diversifikationsmöglichkeiten, die die Vermögensbesitzer in den Industrieländern für die "Emerging Markets" begeisterten, sowie den Wachstumschancen für die Schwellenländer steht vor allem die Gefahr einer Währungs- oder gar einer globalen Finanzkrise gegenüber. Die komplexen Wirkungen der Portfolio-Investitionen in Schwellenländer, aber auch die Folgen ihrer Absicherung durch den neu eingerichteten "Emergency Financing Mechanism" des IWF betreffen nicht nur die Effizienz und die Stabilität des internationalen Finanzsystems, sondern auch die Verteilung von Einkommen und die Verteilung des Risikos, Vermögen zu verlieren. In dem Forschungsprojekt soll systematisch eine ethische Orientierungshilfe zu einer aktuellen Entwicklung der internationalen Finanzmärkte und zu Versuchen ihrer Steuerung erarbeitet werden. Zu diesem Zweck wurde eine interdisziplinäre Methode gewählt, bei der das ethische Urteil auf einer wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Regulierungsbereichs aufbaut.