Familienbasiertes Pflegesystem stößt an Grenzen

Geschrieben am 28.11.2018
in: Positionen

Die Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken hat am Freitag, dem 23. November 2018, in Bonn-Bad Godesberg mit großer Mehrheit die Erklärung „Gerechte Pflege in einer sorgenden Gesellschaft. Zur Zukunft der Pflegearbeit in Deutschland“ verabschiedet. Darin werden die aktuellen pflegepolitischen Herausforderungen konsequent aus der Perspektive der Pflegenden beleuchtet. An den hohen Belastungen der pflegenden Angehörigen und an den problematischen Beschäftigungsverhältnissen der Migrantinnen in der sog. 24-Stunden-Pflege wird deutlich, wie sehr das familienbasierte Pflegesystem in Deutschland aktuell an seine Grenzen stößt.

Als Reformperspektive entwirft das ZdK das Bild einer sorgenden Gesellschaft. Darin gehöre es zum einen „für Männer und Frauen zum Leben dazu, Sorgearbeit zu übernehmen. Die Politik setzt die Rahmenbedingungen so, dass ihnen dies auch gut möglich ist.“ Teil dieser Rahmenbedingungen sei, dass die deutsche Gesellschaft ihre Erwerbszentrierung überwinde und zu einem Regime der Arbeitszeit finde, in dem beide Geschlechter Zeit für Sorgearbeit hätten. „Zum anderen sind für eine sorgende Gesellschaft auch qualitativ hochwertige soziale Dienstleistungen kennzeichnend, die von sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in wertgeschätzten Berufen mit auskömmlichen Löhnen erbracht werden.“

Zentraler Baustein einer sorgenden Gesellschaft sei eine „gerechte Pflege“ worunter das ZdK ein ganzes „Bündel an Zielsetzungen“ versteht: „Alle Pflegebedürftigen haben Zugang zu guter Pflege. Die Pflegearbeit von Angehörigen ist sozial abgesichert und mit Erwerbsarbeit gut vereinbar. Sie wird durch öffentlich (ko-)finanzierte professionelle Dienstleistungen verlässlich unterstützt. Qualitativ hochwertige Pflegeheime und Pflege-Wohn-Gemeinschaften garantieren flächendeckend eine gute wohnortnahe Versorgung. Die Wertschätzung von Sorgearbeit kommt in guten Arbeitsbedingungen und fairen Löhnen für AltenpflegerInnen und für die MitarbeiterInnen haushaltsbezogener Dienstleistungen zum Ausdruck. In einer sorgenden Gesellschaft, welche die Pflege gerecht organisiert, sind für alle eine öffentlich abgesicherte Angehörigenpflege, die in lokale und soziale Netzwerke eingebunden ist, eine gute professionelle Pflege sowie Mischformen zwischen beiden zugänglich.“

Zu den konkreten Forderungen des ZdK gehören in der stationären Pflege bundeseinheitliche Mindestpersonalschlüssel sowie die Festschreibung des Eigenbeitrags der Pflegebedürftigen und ihrer Familien zu den Gesamtkosten der Pflege auf einen festen Betrag, in der häuslichen Pflege der Verzicht darauf, Pflegegeld bei der Inanspruchnahme von Pflegesachleistungen zu kürzen, und der Ausbau dieser Leistung zu einem existenzsichernden Einkommen für Vollzeit-Pflegende, in der sog. 24-Stunden-Pflege Maßnahmen zur Durchsetzung eines Minimums an Freizeit für die Erwerbstätigen und bei den unterstützenden Dienstleistungen Zuschüsse nach dem Vorbild des belgischen Gutscheinmodells.

Die Erklärung wurde in einer Arbeitsgruppe vorbereitet, die Prof. Dr. Bernhard Emunds leitete und der zudem Stefan Becker, Dr. Gloria Behrens, Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins, Dr. Heide Mertens, Karl-Sebastian Schulte, Staatsministerin a.D. Dr. Monika Stolz und Eva Maria Welskop-Deffaa angehörten. In den Prozess der Erarbeitung dieses Papiers gingen auch die Ergebnisse eines Hearings mit Expert*innen und Vertreter*innen katholischer Verbände ein, welches das ZdK im Januar 2018 in den Räumen der Hochschule Sankt Georgen durchgeführt hatte. Von Seiten des Generalsekretariats hat Julia Seeberg den ganzen Prozess bis zum Sommer 2018 mit viel Einsatz und großem Sachverstand begleitet. Ihr verlässliches Engagement setzten dann Dr. Hubert Wissing und Inga Market vor. Als Sprecherin des Sachbereichs „Wirtschaft und Soziales“ hat Frau Hildegard Müller den Prozess kontinuierlich unterstützt.