Friedhelm Hengsbach zum kirchlichen Arbeitsrecht beim Tag der Dienstgemeinschaft des Bistums Mainz

Geschrieben am 23.11.2018
in: Positionen

"Jahrhundertelang, bis vor wenigen Jahrzehnten haben barmherzige Brüder und fromme Schwestern weiblicher Ordensgemeinschaften sich dem Dienst an kranken und leidenden Mitmenschen gewidmet. Eine solche Lebensform, die auf eine Partnerschaft mit dem anderen Geschlecht verzichtet, hat bis auf wenige Ausnahmen ihre Anziehungskraft verloren.
Die Kirchen als Körperschaften des öffentlichen Rechts und die ihnen zugeordneten kirchlichen Einrichtungen bedienen sich seitdem des Arbeitsmarkts, schließen privatrechtliche Arbeitsverträge, unterwerfen sich zwar fast ausnahmslos dem individuellen weltlichen Arbeitsrecht, nicht jedoch dem kollektiven Arbeitsrecht der Tarifautonomie, der Betriebsverfassung und der unternehmerische Mitbestimmung.
Eine Ausnahme vom weltlichen Arbeitsrecht, „ihre eigenen Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes zu regeln“, ist den Kirchen und ihren Einrichtungen durch das Bundesverfassungsgericht zugestanden worden. Die Ausdehnung des persönlichen Grundrechts der Glaubens- und Religionsfreiheit auf kirchliche Institutionen haben Kirchen und Caritas für spezifische Loyalitätsobliegenheiten und konsensorientierte, kooperative Verfahren des Interessenausgleichs - keine Betriebsräte, keine Tarifverträge mit kampfbewehrten Gewerkschaften - in Anspruch genommen; es wurde ihnen durch die höchstrichterliche Rechtsprechung in Deutschland großzügig gewährt.
Der gesellschaftliche Kontext ist zum einen durch eine beachtliche Resonanz, auf die kirchliche Einrichtungen im Dienst der Gesundheit, Pflege, sozialen Begleitung und Familienhilfe treffen, und durch eine dynamische Ausweitung ihrer Angebote gekennzeichnet. Zu andern ist er durch die epochale wirtschaftliche Dynamik geprägt, die Jean Fourastié 1954 („Die große Hoffnung des 20. Jahrhunderts“) in einer Drei-Sektoren-Hypothese skizziert hat: Nach dem jeweils extrem hohen Beschäftigungsgrad in der Landwirtschaft und der Industrie liegt die Zukunft der Arbeit in der Arbeit an und mit den Menschen. Allerdings wird in Deutschland entgegen solchen langfristigen Perspektiven weiterhin die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts propagiert und staatlich subventioniert. Die Regierenden verfestigen auf diese Weise weiterhin geschlechtergerechte Branchenstrukturen, Arbeitsbedingungen und Vergütungen."

Eine Zusammenfassung des gesamten Vortrags können Sie hier nachlesen: