Umstrittener städtischer Boden

Bearbeitung: Julian Degan

Leitung: Bernhard Emunds

Gefördert durch: Hans-Böckler-Stiftung

Laufzeit: 2023 - 2026

Am 01.10.2023 startete das von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Forschungsprojekt „Umstrittener städtischer Boden“. Dieses Projekt, das das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und das NBI durchführen, widmet sich aus ökonomischer und wirtschaftsethischer Perspektive der Bodenfrage.

Ausgangspunkt des Forschungsprojektes ist die Beobachtung, dass Grund und Boden hierzulande vor allem in den dynamisch wachsenden Großstädten stetig knapper und damit teurer wird. Gesellschaftlich hochrelevant ist diese Verknappung von städtischem Boden, weil sie soziale, aber auch ökologische Problemlagen verschärft. So erschwert der Bodenmangel in vielen Städten die Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum und weitet aufgrund der Preisauftriebe auch ökonomische Ungleichheiten weiter aus. Denn während die Eigentümer:innen von den Wertanstiegen ihrer Grundstücke profitieren, bekommen Mieter:innen diese Entwicklungen in Form höherer Mieten zu spüren. Zugleich treten mit der Bodenfrage sozial-ökologische Zielkonflikte hervor. Da Freiflächen für den Neubau von Wohnraum innerhalb der großen Städte meist nicht verfügbar oder sehr teuer sind, wird im weiteren Umland zahlreicher Städte viel gebaut. Dadurch werden mehr Grünflächen für Wohngebiete und für die dafür nötige Infrastruktur (Verkehrswege, Einkaufsmöglichkeiten, Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge) versiegelt und das Verkehrsaufkommen zwischen Stadt und Umland (Pendelwege) nimmt zu. Doch auch die Bebauung von Freiflächen innerhalb großer Städte ist nicht frei von ökologischen Problemen. Wird freier städtischer Boden versiegelt, kann das in der Stadt z.B. nicht nur die Frischluftzufuhr, sondern auch die Aufnahme von Regenwasser erschweren. Ökologisch sinnvolle Maßnahmen, bei denen zur Wohnraumschaffung etwa bestehende innerstädtische Gebäude um- und ausgebaut werden, scheitern häufig an der bestehenden Bodenordnung.

Das Forschungsprojekt „Umstrittener städtischer Boden“ setzt aus ökonomischer und wirtschaftsethischer Perspektive an diesem Problemkomplex an und fragt nach den ökonomischen, ökologischen und gerechtigkeitsrelevanten Auswirkungen unterschiedlicher bodenpolitischer Maßnahmen. Im thematischen Fokus stehen dabei unterschiedliche Formen der Besteuerung von städtischem Boden und Immobilien sowie verschiedene Instrumente zur Förderung von gemeinnützigem Immobilienvermögen. Diese Instrumente werden hinsichtlich ihrer Wirkungen auf Ziele bzw. Zielbündel aus den Themenbereichen der Einkommens- und Vermögensverteilung, des strukturellen Wandels des Kapitalstocks und der Umweltbelastungen untersucht. Ziel des Forschungsprojektes ist es, anhand dieser Kriterien eine gemeinsame Wohlfahrtsbewertung der bodenpolitischen Maßnahmen vorzulegen.

Zur Vorgehensweise: In der vom PIK durchgeführten ökonomischen Analyse wird dazu zunächst die Bedeutung von Wohneigentum und Wohnkosten für Haushalte in Deutschland anhand einer Datenanalyse auf Basis von Haushaltsbefragungen erfasst. Darauf aufbauend werden die Verteilungswirkungen von Instrumenten der Bodenrentenbesteuerung und der Wohneigentumsförderung mit Hilfe eines dynamischen Gleichgewichtsmodells des Wohn- und Immobilienmarktes analysiert. Die am NBI erfolgende wirtschaftsethische Reflexion folgt kohärentistischen Konzepten der ethischen Urteilsbildung. In einem ersten Schritt werden dazu unterschiedliche bodenpolitische Positionen typisiert und auf ihre Wertimplikationen hin befragt. Zweitens wird eine eigene bodenethische Position entwickelt, anhand derer, drittens, die im Fokus stehenden bodenpolitischen Maßnahmen reflektiert werden. Ökonomische und wirtschaftsethische Erkenntnisse werden in einer gemeinsamen Wohlfahrtsanalyse gebündelt, woraus schließlich Politikempfehlungen abgeleitet werden.